Mittwoch, 4. Oktober 2023

Schaltnetzteil Reparatur

Heute möchte ich mal mein ganz persönliches Rezept zum Reparieren eines Schaltnetzteiles vorstellen. Dabei sind hier ausdrücklich nicht die üblichen USB Steckernetzteile gemeint, sondern solche, die in Geräten verbaut sind, und für die man auch nach wochenlanger Suche in Katalogen keinen sinnvollen Ersatz gefunden hat. Tatsächlich ist es immer einfacher, sich ein neues Schaltnetzteil zu kaufen und dieses ggf. mit Blechen und Nieten an den Platz des alten Netzteiles einzubauen. Manchmal aber gibt es diese Möglichkeit nicht, wie zum Beispiel bei meiner alten Sun IPC SparcStation und dem dazugehörigen Monitor. Die Sparc machte nur noch elektrisch knisternde Geräusche, und der Monitor sendete Rauchzeichen. Das Überprüfen der eingebauten Fein-Sicherung sollte immer der erste Schritt sein, aber irgend etwas sagte mir, dass das hier überflüssig ist.

Da sich hier auch Leser der "Generation Unbedarft" bedienen, der nachdrückliche Hinweis, dass ein falscher Handgriff tödlich sein kann. Deshalb lieber ein neues Netzteil kaufen, bevor man ebenfalls Rauchzeichen sendend daneben liegt. Noch besser: Fragt jemanden, der sich damit auskennt. Falls ihr meint, dass ihr selbst derjenige seid, möchte ich euch dringend ans Herz legen, nach dem Ausschalten und Ziehen des Steckers noch gut einen halben Tag zu warten, bis der Primär-Elko ganz sicher ohne (gefährliche) Spannung ist.

Nachdem ich die Sun geöffnet und nach einiger Mühe auch das Netzteil zerlegt hatte, fand ich im Innern des Netzteil-Gehäuses die gesamte Innenseite mit einem "Ölfilm" überzogen: Kondensatorkotze! Das sind die "Ausscheidungen" der Sieb-Elkos auf der Sekundärseite, die ich kurzerhand vollständig auslötete, und gegen neue Low-ESR Typen mit 105°C Festigkeit ersetzte. Auf der Sekundärseite wechselt die Spannung nicht mit den gemütlichen 50Hz der Primärseite ihre Polarität, sondern mit 25-50 kHz. Noch dazu wird die Spannung auf der Sekundärseite meist nur mit einer einzigen Diode gleichgerichtet, sodass der Elko hier einiges an Arbeit leisten muss, um die Spannung konstant zu halten. Deshalb müssen die Innenwiderstände der Elkos so klein wie möglich sein, deshalb Low-ESR Typen, wobei ESR hier - frei übersetzt - äquivalenter Serienwiderstand bedeutet. Aus dem Physikunterricht kann sich der ein oder andere vielleicht noch an den Auf- und Entladevorgang am Kondensator erinnern, und dass der Widerstand hier einen großen Einfluss auf die Geschwindigkeit dieser Vorgänge hat. Den Siebelko auf der Primärseite (meist ein dicker 400V-Typ) unterziehe ich einer Sichtprüfung, aber meist ist hier alles in Ordnung. Wenn nicht -> Austauschen.

Zuerst habe ich also die Elektrolyt-Kondensatoren von der Platine ausgelötet. Natürlich ist genau zu notieren, welcher Typ wo und wie herum drin steckt, also Ort, Ausrichtung, Kapazität und Spannung notieren! Am besten macht man auch noch Fotos von allen Seiten. Nur zur Sicherheit. Wer nicht weiß, wo man Ersatz-Elkos herbekommt, der kann auf den Seiten von reichelt.de fündig werden.

Anschließend, wenn alle Elkos der Sekundärseite ausgelötet sind, wird die Platine gewaschen. Und zwar in handwarmen Spülwasser und mit einer Zahnbürste. Anschließend am besten mit Isopropylalkohol im Ultraschallbad, bis nichts mehr auf den "Unfall" hinweist. Danach trocknet man die Platine in der Sonne, im Dörrobst-Bereiter, im Filament-Trockner, oder was ihr sonst greifbar habt, was mehrere Stunden bei 60° die Platine trocknen kann. Wer mag, kann die Platine jetzt schon wieder bestücken, aber ich persönlich gehe lieber meine Schritt-Für-Schritt Liste durch, um auch noch den Rest zu kontrollieren.

Zuerst schaue ich mir die Sekundärseite an. Alle Untersuchungen finden natürlich ohne Netzspannung statt !! Als Hilfsmittel habe ich ein 08/15 Multimeter mit Ohmmeter und Diodentester, ein geregeltes und strombegrenztes Labornetzteil, sowie ein Oszilloskop.

Zunächst untersuche ich, ob alle Schalt-Dioden in Sperrrichtung sperren und in Durchlassrichtung einen Spannungsabfall von etwa 0,2 - 0,3 V haben. Falls nicht -> ersetzen. Dann messe ich alle Wicklungen des Transformators aus, ob nicht eine der Wicklungen durchgebrannt ist. Falls ja -> Unschön! Transformator auslöten, öffnen, abwickeln, Kupferlackdraht besorgen, neue Wicklung, alle anderen Wicklungen aufbringen, in Trafo-Öl tauchen, schließen und wieder einlöten. Kommt allerdings sehr selten vor. Die beiden Seiten des Netzteils (Primär- und Sekundärseite) sind immer strikt getrennt (was man auch an der Platinenunterseite erkennt). Es gibt nur drei Bauteiltypen, die diese Grenze überschreiten: Der Transformator, einige Kondensatoren und ein oder mehrere Optokoppler. Den Transformator hatten wir schon, die Kondensatoren können wir mit dem Ohmmeter auf Durchgang prüfen, aber leider kann man die Spannungsfestigkeit nicht so ohne weiteres feststellen. Bleiben noch die Optokoppler: Um diese zu testen lege ich mit einem Netzteil an den Ausgang der Schaltdiode für den Hauptzweig (meistens der 5V Zweig) eine 200mV kleinere Spannung an. Mit dem Diodentester kann ich nun den Ausgangstransistor des Optokopplers durchmessen: Wenn ich die Spannung geringfügig erhöhe, so erwarte ich, dass bei Überschreiten der ausgewiesenen Ausgangsspannung für diesen Zweig, die Kollektor-Emitter-Strecke des Optokopplers leitfähig wird, d.h. einen Spannungsabfall von etwa 0,3V hat. Sind mehr als ein Optokoppler verbaut, kann ich die anderen ebenso testen.

Damit ist die Sekundärseite abgeschlossen, und wir kommen zur Primärseite. Hier haben wir in loser Reihenfolge: Eingangsfilter, Sicherung, Varistor, Vorschaltwiderstand, Gleichrichter, Siebelko, Schalt-Transistor, Schalt-IC, Gleichrichter für Hilfswicklung, Siebelko für Schalt-IC und Ladewiderstände für Schalt-IC. Je nach Geschmack des Entwicklers sind da auch noch Thermosicherungen für den Schalt-Transistor, Spannungsregler für das Schalt-IC und anderes Gedöns.

Zunächst messe ich mit dem Ohmmeter in beide Richtungen in den Netzstecker hinein: Hier sollte nach einem kurzen Einschwingen durch den Siebelko alles im Kiloohm Bereich liegen. Dann prüfe ich, ob ich vom Netzstecker auf beiden Leitungen zum Gleichrichter komme. Wenn ja, dann ist der Eingangsteil schon mal in Ordnung. Wenn nicht -> Suchen nach dem Loch im Schlauch.

Danach gehe ich mit dem Ohmmeter auf den Leistungs-Transistor los: Dieser sollte in beiden Richtungen, also Kollektor <-> Emitter, bzw. Source <-> Drain sperren. Falls nicht -> Austauschen.

Kommen wir nun zum Schalt-IC: Finden wir dazu eine Dokumentation im Netz -> Glück gehabt. Wenn nicht -> Platine umdrehen und suchen: 

  • Masse-Anschluss
  • Plus-Anschluss
  • Hinweise auf die Höhe der Versorgungsspannung, evtl. Spannungsregler
  • Inhibit-Anschlüsse (kommen von den Optokopplern)
  • Drive-Ausgang (geht zum Leistungs-Transistor)
Im Folgenden unterstelle ich mal, dass bekannt ist, welche Versorgungsspannung der Schaltkreis braucht. Mit dem Labornetzteil lege ich diese Spannung mit einer Strombegrenzung von 20 mA an das IC an. Da wir eingangs schon die Optokoppler verifiziert haben, ist hier nichts mehr zu untersuchen. Mit dem Oszilloskop untersuche ich nun den Drive-Ausgang zum Leistungs-Transistor: Hier sollte ich eindeutige Impulse im Bereich von 20-50kHz in Höhe von einigen Volt sehen. Wenn ich den Inhibit-Eingang / einen der Inhibit-Eingänge auf Masse ziehe, müssen die Impulse unverzüglich aufhören.

Wenn das alles funktioniert, kommen wir nun zum wahrscheinlichsten Tod aller Schaltnetzteile: Sie schwingen nach dem Einschalten einfach nicht mehr an und stellen sich tot. Um das zu verstehen, muss man begreifen, wie der Schaltregler mit Strom versorgt wird. Wenn (!) das Netzteil erst einmal schwingt, dann ist auf der Primärseite des Transformators eine Hilfswicklung, deren Spannung über eine Diode (oder besonders edel: Über einen Gleichrichter mit nachgelagertem Spannungsregler) gleichgerichtet und dem Schaltregler zugeführt wird. Aber dazu muss das Netzteil erst einmal schwingen. Dazu sind die (selten einer, meist zwei) Widerstände in der Größe von 100-220 kOhm da, die direkt die gleichgerichtete Netzspannung dem Siebelko des Schaltreglers zuführen. Dessen Spannung steigt langsam an, der Schaltregler beginnt zu schwingen, sprich: Der ganze Schwingkreis schaukelt sich sehr schnell auf mehrere -zig Kilohertz hoch. Das ist übrigens auch diese kurze "Quietsch"-Geräusch, dass man beim Einschalten eines Schaltnetzteiles hören kann. Soweit dieser kurze Abriss. Nun ist das gute Stück aber schon einige Jahrzehnte alt, und die Bauteile sind durch den Dauerbetrieb nicht besser geworden, sondern sie sind gealtert. Das betrifft sowohl den Siebelko des Schaltreglers, der an Kapazität verliert, mehr aber noch die Widerstände, deren Widerstand mit der Zeit immer größer wird. Dadurch reicht irgendwann der Strom durch diese Widerstände nicht mehr aus, den Kondensator ausreichend aufzuladen, sodass der Schaltregler niemals genug Spannung erhält, um den Schwingkreis anzustoßen.

Wenn nun alles in Ordnung ist, könnt ihr wieder alles zusammen bauen. 

Üblicherweise steckt man jetzt den Stecker in die Dose und wundert sich, warum da was qualmt... 

  1. Diese Art Netzteile sind nicht dafür ausgelegt ohne Last zu arbeiten. Daher niemals, NIEMALS ohne Last betreiben. Steckt da irgendetwas ran, was mindestens ein Drittel der Nominalleistung in Wärme verwandeln kann. 
  2. Macht den Test, wenn ihr die Möglichkeit habt, immer an einem Trenntrafo oder an einer Powerstation, diese mobilen 230V Notstrom-Dinger, die mit Akkus laufen. Schaltet den Strom für maximal eine Sekunde an und dann wieder aus. Wenn in dieser Zeit eure Last funktioniert, dann dürft ihr das auch noch einmal für zwei Sekunden wiederholen. Wenn auch das funktioniert, dann Feuer frei. Tut euch bitte den Gefallen, und macht das Ausschalten nach einer Sekunde nicht davon abhängig, was sich da tut! Nach einer Sekunde AUS!! Danach könnt ihr reflektieren, was da passiert ist.
  3. Für die, die ohnehin alles haben: Richtet eine Wärmebild-Kamera auf die Platine und macht ein Video von dem Test. Wenn da was verdächtig ist, dann seht ihr das dort, noch bevor sich die Platine mit Rauchzeichen meldet.
Zusammenfassend hier noch einmal die Checkliste zum Abhaken:
  1. Prüfen und ggf. Ersatz der Feinsicherung
  2. Sichtkontrolle und ggf. Ersatz der Elkos. Nur Low-ESR 105°C Typen nehmen.
  3. Messung der Schaltdioden der Sekundärseite
  4. Prüfung aller Transformator-Wicklungen
  5. Prüfung der Optokoppler an den Schaltgrenzen
  6. Prüfung des Schalt-Transistors auf Sperrung
  7. Prüfung des Schaltreglers auf Puls-Erzeugung für Schalt-Transistors
  8. Prüfung des Schaltreglers, Reaktion auf Inhibit-Signale
  9. Prüfung der Widerstände und des Siebelkos für den Schaltregler
  10. Prüfung etwaiger Baugruppen von der Hilfswicklung zum Schaltregler
  11. Messung in den Netzstecker hinein
  12. Messung vom Netzstecker bis zum Gleichrichter
Viel Erfolg